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Titandioxid – Optischer Aufheller mit Gesundheitsrisiko

Titandioxid ist ein Farbpigment, welches von allen Weißpigmenten die höchste Deckungskraft besitzt. Es ist chemisch stabil und gilt als ungiftig.

In der Medizin wird es als reiner optischer Farbgeber mit der INCI (International Nomenclature of Cosmetic Ingredients) Bezeichnung CI 77891 für Tabletten, Cremes,  Kosmetika sowie in Sonnencremes als mineralischer UV-Filter verwendet.

Als farbgebender Lebensmittelzusatzstoff E171 wird es zum Beispiel in Bonbons, Kaugummis, Zahnpasta, Mozzarella sowie als weißes Farbpigment in Süßwaren und Überzügen zugesetzt.  90 % des Titandioxids werden im industriellen Bereich werden zur Herstellung von Farben, Lacken, Papier und Kunststoffen genutzt.

Titandioxid entsteht aus Titan, dem vierthäufigsten Metall weltweit. Reagiert es mit Sauerstoff entsteht Titandioxid (TiO2). Da reines Titan auf der Erde kaum vorkommt, muss es energieaufwändig und kostenintensiv aus Titaneisenerz gewonnen werden. Der Herstellungsprozess führt also zur Emission von Treibhausgasen und ist klimarelevant. Alleine in Deutschland werden ca. 550.000 Tonnen Titandioxid pro Jahr als Mikropartikel (Partikel über 100 nm) oder Nanopartikel (Teilchen unter 100 nm) produziert. Das entspricht einem Gesamtanteil von 10 % am Weltmarkt. Nano-Titandioxide gehören zu den häufigsten produzierten Nanopartikeln

Aufnahme von Titandioxid über die Haut

2010 kam eine Studie zu dem Schluss, dass die Aufnahme von Nanopartikeln durch die Haut von der Partikelgröße bestimmt wird und dass dies vom Gesundheitszustand der Haut abhängt. Zur Aufnahme von Titandioxid Partikel durch Tätowierungen konnte hingegen bisher noch keine Aussage getroffen werden.

Aufnahme von Titandioxid über den Magen-Darm Trakt

In einer Studie des Universitätsspitals Zürich 2016 wurde am Mausmodell gezeigt, dass Titandioxid-(Nano)-Partikel als Lebensmittelzusatzstoff E171 unter 100 nm bei Mäusen mit einer entzündlichen Darmerkrankung zu einem Anstieg von weiteren Entzündungen und Schädigungen der Darmschleimhaut führte. Die Züricher Wissenschaftler empfahlen daher Patienten mit Darmentzündungen, auf Nahrungsmittel zu verzichten, die Titandioxid enthalten. Französische Forscher zeigten zudem 2017 auch an Ratten, dass die Einnahme von E171 in Nanopartikelform Darmentzündungen hervorrufen kann und weiterhin dem Immunsystem schadet.

Zum krebserzeugenden Potenzial von Titandioxid-(Nano)-Partikeln nach oraler Exposition sind bisher keine geeigneten Studien verfügbar. Da der Abbau von Titandioxid im Gewebe lange dauert, hat es jedoch das Potential zu akkumulieren, was zu der Annahme führt, dass durch die Anreicherung Tumoren entstehen können. Die Datenbank der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) führt Titandioxid daher als mögliche krebserregende Substanz auf.

Derzeit lässt sich laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht beurteilen, ob die Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu E171 auch auf Titandioxid-Partikel (CI 77891) in Zahnpasta als Kosmetikartikel übertragbar ist und hat daher weitere Untersuchungen empfohlen.

Aufnahme von Titandioxid über die Lunge

Der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) stellt fest, dass die Verwendung von Titandioxid in Pulverform in Externa, aufgrund der aktuellen Datenlage und der möglichen Einstufung von Titandioxid gemäß CLP-Verordnung als Karzinogen Kategorie 2 (Inhalation) für allgemeine Verbraucher nicht sicher ist, wenn es eingeatmet wird.

In Sonnencremes werden Titandioxid-(Nano)-Partikel zur Verhinderung des Weißungseffektes als mineralischer UV-Schutz zugesetzt. Bereits definierte Nanopartikelformen, die zur Exposition in die Lunge führen könnten sind hier nicht zugelassen. Eine abschließende Einschätzung der Exposition durch Nano-Partikel sowie die daraus resultierende erforderliche Änderung der EU-Kosmetikverordnung steht jedoch noch aus. Zum 9. September 2021 müssen EU-weit feste und flüssige kosmetische Produkte sowie Sprays, die mindestens 1% Titandioxid enthalten, gesondert mit Warnhinweisen versehen werden. Ein Verbot erfolgt jedoch nicht.

Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln in Europa

Seit dem 6. Mai 2021 hält die EFSA die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr für sicher, da eine Entkräftung der möglichen erbgutschädigenden Wirkung durch Titandioxid-(Nano)-Partikeln nach Sichtung von mehr als 200 themenrelevanten in vitro- und in vivo-Studien an Tieren nicht möglich ist. Auch lassen die Studien keinen Rückschluss auf einen Zusammenhang zwischen bestimmten Eigenschaften von Titandioxid-(Nano)-Partikeln (Größe, Beschaffenheit) und dem Ergebnis der Genotoxizitätsstudien zu. Es ist nicht möglich eine akzeptable tägliche Aufnahmemenge zu definieren. Auch die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit ANSES kritisiert, dass es an Daten fehle, um den Stoff als eindeutig unbedenklich zu deklarieren.

Als Konsequenz hat Frankreich Titandioxid daher als erstes EU-Mitglied ab 1. Januar 2020 als Lebensmittelzusatzstoff verboten. Die Schweiz wird mit einem Verbot Ende 2021 folgen. In Produkten wie Kosmetika, Sonnencreme oder Medikamenten bleibt Titandioxid jedoch weiterhin erlaubt.

Fazit

Bei Titandioxid handelt sich um einen Zusatzstoff, der nicht essenziell ist und in keinem Verhältnis zu den potentiellen Risiken steht. Es dient ausschließlich zur Erhöhung der optischen Attraktivität eines Produkts und stellt damit lediglich ein Marketing-Tool dar.

Aus gesundheitlichen und klimarelevanten Aspekten wird daher empfohlen auf den Zusatz von Titandioxid im Bereich der Arzneien, Pflegecremes sowie in Lebensmitteln grundsätzlich zu verzichten.

Update vom 16.10.2021:

Die EU-Mitgliedstaaten haben am 08.10.2021 dem Vorschlag der Europäischen Kommission zugestimmt, die Verwendung von Titandioxid (E171) als Zusatzstoff in Lebensmitteln ab 2022 zu verbieten.

 Update vom 04.02.2022:

Die Europäische Union (EU) hat das Verbot für die Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (E171) erlassen. Es tritt ab 7. Februar 2022 in Kraft und ist ab 7. August 2022 bindend. Die Hersteller werden aufgefordert Titandioxid in Arzneimittel innerhalb der nächsten drei Jahre durch Hilfsstoffe zu ersetzen. Vor dem 1. April 2024 wird die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) eine weitere Bewertung von Titandioxid durchführen.

© Dr. med. Dipl. Biol. Susanne Saha 08/2021

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