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Klimawandel durch Inhalationsanästhetika

Inhalationsanästhetika (volatile Anästhetika) sind narkotisierende Gase, die zur Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie dienen. Derzeit sind in Deutschland Desfluran, Sevofluran, Isofluran, Lachgas (N2O) und das Edelgas Xenon zugelassen. Chemisch gesehen sind alle Inhalationsanästhetika, bis auf N2O und Xenon, halogenierte Kohlenwasserstoffe bei denen ein oder mehrere Wasserstoffatome durch Fluor und Chlor ersetzt wurden. Sevofluran und Desfluran sind reine Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). Isofluran enthält zusätzlich ein Chloratom und ist damit ein Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW).

Klima- und ozonschädigende Eigenschaften

FCKW-Gase sind ozonschädigend und stellen mit FKW-Gasen hochpotente Treibhausgase dar. Lachgas weist neben seinem Treibhausgaseffekt zusätzlich eine ozonschädigende Wirkung mit einer atmosphärischen Lebensdauer von ca. 121 Jahren auf.

Desfluran hat von allen volatilen Anästhetika mit Abstand den größten klimaschädigenden Effekt. So zeigt Desfluran über das Zeitfenster von 100 Jahren eine 1.620 höhere „Global Warming Potenz (GFW)“ verglichen mit dem Referenz-Treibhausgas CO₂.

Das starke Treibhauspotential von FKW- und FCKW-Verbindungen wird durch die hohe Absorption und Reflektion von Infrarotstrahlung im sogenannten atmosphärischen Fenster verursacht, ein Bereich in dem natürliche Treibhausgase (CO2, Methan, Lachgas) keine Reflektion der abstrahlenden Infrarotstrahlung verursachen. 1987 wurde eine Reduktion von FCKW Gasen im Montreal-Protokoll der Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen vereinbart, um die Ozonschicht zu schützen. Diese wurde 2016 um den Bereich der FKW Verbindungen aufgrund ihrer hohen klimaschädlichen Wirkung in Kigali erweitert. Allerdings sind in diesem Vertrag Anästhesiegase nicht miteingeschlossen, da es sich um medizinisch notwendige Substanzen handelt. Somit sind Anästhesiegase heutzutage die einzigen FKW Verbindungen, deren Konzentrationen in die Atmosphäre gelangen.

Weltweit messbarer Anstieg in der Atmosphäre

Die weltweit zunehmende Verwendung von Desfluran und Sevofluran lässt sich durch einen sichtbar messbaren Anstieg in der Atmosphäre nachweisen. Ursachen sind die zunehmende Weltbevölkerung, die verbesserte medizinische Versorgung sowie das steigende Alter der Menschen verbunden mit häufigeren Operationen. In Deutschland werden heutzutage primär Sevofluran und Desfluran als inhalative Anästhetika genutzt*. In einem Krankenhaus entfallen derzeit aktuell ca. 25 Prozent der Treibhausgasemissionen auf die Nutzung inhalativer Anästhetika.

Im Vergleich zu Sevofluran ist für eine Allgemeinnarkose mit Desfluran eine deutlich höhere Gaskonzentration notwendig. Weiterhin ist es notwendig die „Global Warming Potenz“ auf kürzere Zeitfenster anzugeben, da Anästhesiegase, bis auf Lachgas, alle eine atmosphärische Lebensdauer von unter 20 Jahren haben. Diese Effekte sollten als CO2-Fußabdruck pro Anästhesievorgang berücksichtigt werden. So entspricht z. B. der CO2-Fußabdruck für das Zeitfenster von 1 Jahr einer 7-stündigen Allgemeinanästhesie bei einem Frischgasfluss von 2 l/min mit

  • Sevofluran einer Autofahrt von 3.132 km
  • Desfluran einer Autofahrt von 15.698 km

Durch eine Reduktion des Frischgasflusses (Niedrigflussnarkose 0.5l/min) während der Narkose kann der CO2-Fußabdruck deutlich reduziert werden. Die bessere Alternative wäre jedoch die Durchführung einer Allgemeinnarkose über die Vene mit Propofol oder, falls möglich, die Anwendung von Regionalanästhesie-Verfahren. Beide Verfahren hinterlassen einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck

​© Priv. Doz. Dr. med. Susanne Koch, Forum Nachhaltigkeit in der Anästhesiologie (DGAI/BDA) 10/2021

* Koch S, et al. Survey regarding routine use of anaesthetic procedures and related knowledge on environmental impact in Germany 2021. European Journal of Anaesthesiology.

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